2018
Werden die Grundschüler von heute zu Architekten digitaler Welten von morgen?
Die Welt wird digital – das verändert, wie wir lernen, arbeiten, kommunizieren, konsumieren, ja, wie wir leben. Doch wie stellen sich Bildung, Arbeit oder Kommunikation der digitalen Welt? Welche Chancen bietet die Digitalisierung, welche Risiken birgt sie? Darüber sprach Pressesprecherin Katharina Vorwerk mit Professorin Dr. Jana Dittmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Multimedia and Security an der Fakultät für Informatik, Institut für Technische und Betriebliche Informationssysteme.
Prof. Dr.-Ing. Jana Dittmann (Foto: Harald Krieg)
Als Mitglied im Digitalisierungsbeirat Sachsen-Anhalts werden Sie in den nächsten Jahren die Umsetzung der „Digitalen Agenda“ aktiv begleiten. Digitalisierung in Verwaltung, Bildung, Wirtschaft, Wissenschaft und Arbeit, wie ist aus Ihrer Sicht der Stand in Sachsen-Anhalt?
Mit der digitalen Agenda sind wichtige ausstehende Aufgaben formuliert, und es ist ein sehr guter Grundstein gelegt. Das Thema Bildung in der digitalen Welt und die Querschnittsziele Verbraucherschutz, Datenschutz und Informationssicherheit liegen mir dabei besonders am Herzen.
Die neue Bundesbildungsministerin Anja Karliczek möchte den Unterricht an den Schulen weiter digitalisieren. Was würden Sie ihr raten, was brauchen die Schulen?
Digitalisierung muss gesamtheitlich betrachtet werden: Schülern und Lehrern müssen die Grundlagen in Hard- und Software, also die Informatik, mit Spaß vermittelt werden. Aktive und realitätsnahe Beispiele wie Hardware zum Anfassen, selbst aufbauen oder selbst konfigurieren bieten da gute Ansätze zum Verstehen.Digitalisierung kann Lernprozesse durch digitale Werkzeuge unterstützen. Bei der Auswahl an Werkzeugen muss auf lernförderliche Elemente geachtet werden, um den Unterricht zu bereichern und zu ergänzen. Wissen und Kompetenzen zur Digitalisierung müssen so aufgebaut werden, dass alle in der Lage sind, sich lebenslang auf aktuellem Stand zu halten.
Die zukünftig in der digitalen Welt Agierenden müssen befähigt werden, sich souverän in ihr zu bewegen, das heißt, den Technikeinsatz sinnvoll zu gestalten, Gefahren und Risiken zu erkennen und frühzeitig „digitale Selbstverteidigung“ zum Schutz zu üben. Das sind wichtige Ziele für ein selbstbestimmtes, informiertes und eigenständiges Handeln in der digitalen Zukunft. Positive Anreize zur „digitalen Selbstverteidigung“ und die Kenntnis über Qualitätsmerkmale von Hard- und Software sowie Datenschutz durch Technik und datenschutzfreundliche Voreinstellungen sollten selbstverständlich werden.
Die Schulen müssen Vielfalt, Gestaltungsmöglichkeiten sowie Wahlfreiheit vermitteln. Sie sollten keine Eingewöhungskultur in einen kleinen Kreis von Anbietern fördern, sondern das Erlernen von Alternativen wie OpenSource und OpenContent fordern.
Bei der Analyse von individuellen Lernprozessen und der Bewertung von Lernerfolgen muss ein für die Persönlichkeit des Schülers vertrauensvoller und sicherer Ansatz gesucht und gefunden werden. Beides muss strikt unter Kontrolle der Schule bleiben. Nicht zuletzt müssen dringend ethische Grundsätze für unsere digitale Welt erarbeitet, umgesetzt und vermittelt werden.
Die Reflexion von Digitalisierung wird bestimmt durch zunehmend komplexere, undurchschaubare Technik und die bisher meist ungeregelte Verfügbarkeit und Verwendung von Daten. Hier muss die Stellung des Einzelnen in der digitalen Welt durch Wissen gestärkt werden. Der Slogan unserer Fakultät „Werde ArchitektIn digitaler Welten!“ kann für jeden im Kleinen stehen.
Wann sollte die Digitalisierung des Unterrichts beginnen – in der Grundschule, im Gymnasium oder in der Berufsbildenden Schule?
Die Kompetenz, Digitalisierung zu verstehen, sie zu gestalten, also Einfluss zu nehmen, kann so früh wie möglich als Lernziel verfolgt werden. Die Digitalisierung des Unterrichts sollte jedoch maßvoll erfolgen; nur ein Teil sein. Die bewährten traditionellen Lehr- und Lernformen haben ihre Berechtigung und sind sehr sinnvoll. Ein herkömmliches Buch hat hier nach wie vor viele Vorteile. Die Digitalisierung kann gezielt ergänzen.
Es reiche nicht, in allen Klassenzimmern SmartBoards und andere digitale Technik zu installieren, sagen Sie. Was braucht es noch?
Wenn Sie Schwimmen lernen möchten, reicht es nicht, eine Schwimmhalle zu bauen und sich diese anzuschauen. Sie müssen hinein ins Wasser, mit dem ganzen Körper und allen Sinnen. So ist es auch bei der Digitalisierung, um diese zu verstehen und zielführend zu nutzen, reicht es nicht, ein SmartBoard anzuschauen und die Inhalte zu sehen. Es ist ein Element von vielen und dieses sollte in eine lernfördernde Strategie eingefügt werden. Die Freiheit und Kreativität des Einzelnen darf nicht durch vorgegebene Frage- und Antwortschemata so eingeengt werden, dass sie „individuell verkümmern“ und sich selbst reduzieren. Technik sollte sich dem Menschen anpassen, nicht umgekehrt.
Sie sprachen von „digitaler Selbstverteidigung“. Welche Rolle spielen Datenschutz und -sicherheit in der digitalen Zukunft?
Mit Informatik kann man die Digitalisierung gestalten, aber ohne Sicherheit wird diese Gestaltung nicht gelingen. Was Sicherheit in der digitalen Welt bedeutet, haben viele kaum im Blick. In anderen Fächern wie Chemie und Physik wird das Verständnis der Welt vermittelt, hier begreifen die Schüler durchaus was gut und was schlecht ist und wo die Gefahren sind. So sollte es auch bei der Digitalisierung sein, Chancen und Risiken begreifbar zu machen. Die Bedienung von Sozialen Medien, Nachrichtendiensten etc. lernen alle fast automatisch.
Oft im Dunkeln und unbeantwortet bleiben jedoch Fragen wie: Was verbirgt sich dahinter, was passiert wann und wie? Wer hat und nutzt meine persönlichen Daten, was kann ich und sollte ich wie konfigurieren? Was ist für mich und andere gut, was kann gefährlich sein? Was hat welche Folgen für die Nutzer persönlich und die Gesellschaft insgesamt? Werde ich oder kann ich später diskriminiert werden?
Sollte Informatikunterricht flächendeckend als Pflichtfach in den Schulen eingeführt werden, also Programmieren wie Lesen und Schreiben gelehrt werden?
Informatik als Pflicht kann sehr hilfreich sein, man könnte das Fach auch Digitalisierung nennen. Das Grundverständnis zur Programmierung ist sehr hilfreich, es reicht aber für sich alleine nicht aus. Bei der Digitalisierung werden Systeme gebaut, die mit anderen Systemen zusammenarbeiten – sprich vernetzt sind. Man sollte von Anfang an das Verständnis fördern, dass Digitalisierung viele Facetten hat und dann gezielt und, wenn möglich anfassbar, die Gestaltungsmöglichkeiten, wie auch den technischen Datenschutz mit möglichst datenschutzkonformen Voreinstellungen vermitteln.
Programmieren ist ein Baustein, der am besten spielerisch gelernt wird –Lieblingstiere laufen lassen, Bücher in einem Computerspiel umsetzen, kombinieren mit zeichnen oder kreativ gestalten.
Der von Karliczeks Vorgängerin 2016 angestoßene Digitalisierungspakt soll für fünf Jahre fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Reichen Zeit und Geld, um die Schulen für ihre Aufgaben in der digitalen Bildung fit zu machen?
Wenn man den aktuellen Diskussionen folgt, gibt es da durchaus Zweifel. Der Digitalisierungspakt ist ein Signal und ein Start. Noch wichtiger als Geld jedoch sind gute Konzepte zur Anwendung, zum Einsatz, zur Betreuung; sind gut ausgebildete Lehrer mit Zeit für eine gute Vorbereitung.
Darüber hinaus werden neben der Auswahl und Anschaffung von Hard- und Software auch Experten für deren strategisch sinnvolle, sichere und vertrauenswürdige Konzeption, Konfiguration und Einrichtung sowie Techniker benötigt. Ebenso sollten eine aktive Betreuung der Lehrer und Schüler sowie die Wartung und Aktualisierung der Hard- und Software, einschließlich der Lernprogramme, Sicherheitslösungen und Schulbücher, abgedeckt sein.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Professorin Dittmann.
Die OvGu auf der GamesCom 2018
Vom 21.08.18 bis 25.08.18 fand die weltweit zweitgrößte Messe für Unterhaltungselektronik, die GamesCom, in Köln statt. Auch die OvGU, insbesondere die Fakultät für Informatik und der studentische Spieleentwickler-Verein Acagamics waren dort wieder mit einem Stand vertreten.
Neues BMBF-Projekt: Kollaboratives Training für Chirurgen mittels VR-Techniken
Der Forschungscampus STIMULATE und die Fakultät für Informatik starten diesen Monat mit einem 3-jährigem Forschungsprojekt im Bereich Virtual Reality (VR). Magdeburger Computervisualisten unter der Leitung von Professor Christian Hansen entwickeln in enger Kooperation mit Experten der Universitätsmedizin Mainz und der Harvard Medical School neue VR-Techniken für das chirurgische Training. An dem Projekt sind zudem die Magdeburger Firmen metraTec und 2tainment beteiligt. Das BMBF unterstützt das Vorhaben mit einer Förderung von 1,6 Millionen Euro.
Im Projekt werden VR-Interaktions- und Visualisierungstechniken entwickelt, um den Erfahrungs- und Kompetenzaustausch von Medizinerinnen und Medizinern zu verbessern. In einer virtuellen Realität sollen mehrere Nutzerinnen und Nutzer kollaborativ – gleichzeitig und echtzeitnah - trainieren. Die Positionen örtlich verteilter Personen werden über hybride Trackingtechnologien, die auf Ultra-Breitband-Technologien und Inertialsensorik basieren, bestimmt. Auf dieser Grundlage werden VR-Trainingsszenarien konzipiert, in ein Multi-User-Kommunikationssystem implementiert und über größere Distanzen klinisch evaluiert.
Die Innovation des Projekts besteht in der Kombination kollaborativer Interaktions- und Visualisierungstechniken mit hybriden Trackingtechnologien in einem fortgeschrittenen Multi-User-Kommunikationssystem. Die Projektergebnisse sollen eine Grundlage für die Entwicklung zukünftiger VR-basierter Kommunikations- und Simulationssysteme in der Medizin bilden.
(Foto: Markus Schmidt)
TRANSFORMERS-Fahrrad erstmals autonom unterwegs
Das BMBF geförderte Projekt TRANSFORMERS der AG von Jun.-Prof. Dr. Sebastian Zug, dass auf die Realisierung eines autonomen Rufdienstes auf der Basis von autonomen Fahrrädern zielt, ist im Park der Stadt Magdeburg erstmals autonom gefahren. Nachdem die bisherigen Fahrten im ferngesteuerten Modus vorrangig der Anpassung der Regler dienten, wurde das Lokalisierungsmodul nun erstmals erfolgreich getestet. Dessen Anwendung konnte in Kombination mit dem erweiterten Umgebungsmonitoring gerade rechtzeitig für den Besuch von zwei Fernsehteams (MDR, ProSieben Galileo) fertig gestellt werden. Dabei war zwar eher die Bewegung im Straßenverkehr, also die ferngesteuerte Fahrt gefragt, aber für das Team aus Informatikern, Maschinenbauern, Logistiker und Umweltpsychologen der OVGU war die wirklich selbstständige Fahrt ein wichtiger Meilenstein.
https://www.prosieben.de/tv/galileo/videos/2018312-das-fahrrad-das-auf-ruf-angefahren-kommt-clip
Die verbleibende Saison wird nun genutzt, um möglichst viele Umgebungsdaten für umfangreiche Analysereihen zu erfassen. Dabei sollen unterschiedliche Umgebungen, Verkehrssituationen und Fahrradzustände aufgezeichnet werden, um die Algorithmen zur Positionierung, Pfadplanung und Regelung weiter zu verbessern.
IEEE VIS Konferenz 2018 organisiert von Magdeburger Informatik-Fakultät
In der nächsten Woche findet vom 21. bis 26. Oktober die 29. IEEE VIS Konferenz in Berlin statt. Dies ist die weltweit größte und wichtigste Konferenz auf dem Gebiet der Datenvisualisierung. Die Themen sind vielfältig: Die Erkennung von Trends bei der Diskussion von Themen in sozialen Medien, die Auswertung von Simulationen im Klimabereich oder im Engineering und medizinische Anwendungen, bei denen Diagnose und Therapie von Erkrankungen durch Computerunterstützung verbessert wird.
Bisher fand die Konferenz erst einmal außerhalb der USA statt. Das Team um den Magdeburger Visualisierungsprofessor Holger Theisel hat die Tagung nach Deutschland geholt. Zusammen mit seiner Managementassistentin Petra Specht hat er die aufwändige Veranstaltung mit einer Vielzahl an Workshops, Podiumsdiskussionen, Softwaredemonstrationen und Plenarvorträgen vorbereitet. Die Organisation wird durch die Fakultät Informatik und die zentrale Verwaltung der Otto-von-Guericke-Universität maßgeblich unterstützt. Die Mühe hat sich gelohnt: bisher haben sich mehr als 1200 Teilnehmer angemeldet – so viel wie noch nie. Und dank der Einwerbung vieler Sponsorengelder kann den Teilnehmern auch ein besonders attraktives Programm geboten werden. Highlights sind die Hauptvorträge von Dieter Schmalstieg, TU Graz, der im Bereich Augmented Reality weltweit führender Experte ist und von Joachim Buhmann von der renommierten ETH Zürich. Sein Thema: “Kann ich glauben, was ich sehe? – informationstheoretische Algorithmenvalidierung”
Mehr Infos: http://ieeevis.org/year/2018/welcome